Wider den Anti-Strafzettel - Schutz vor Rechtsberatung geht über den Schutz vor Strafzetteln

 

In einer Gemeinde waren die Schilder für eine Parkscheibenzone so intelligent aufgestellt, dass sie übersehen werden konnten und daher Bußgeldverfahren gegen Falschparker regelmäßig eingestellt wurden. Dies nahm ein von Empathie erfüllter Bürger zum Anlass, Falschparkern neben das Knöllchen einen „Anti-Strafzettel“ zu heften mit Tipps, wie der Buße zu entkommen sei.


Dass das „System“ diese spezielle Form der Ich-AG nicht ohne Gegenwehr hinnehmen würde, war klar. Dennoch ist eindrucksvoll, wie unsere Justiz den feigen Unterminierungsversuch zerschlagen hat.


Immerhin kein Geringeres als das Bayerische Oberste Landesgericht hat das Rechtsproblem in der gebotenen Klarheit herausgearbeitet: Bei dem frevelhaften Tun handelt es sich um einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz und dafür setzt es Bußgeld, zumal der Frechling auch noch Formulierungsvorschläge für Einspruch und Anträge auf Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen unter die Scheibenwischer geklemmt hatte (BayObLG 31.03.2003, 3 ObOWi 87/03).


Das Rechtsberatungsgesetz soll dem Schutz der Verbraucher vor fehlerhafter Rechtsberatung und unqualifizierten Rechtsberatern dienen. Den Einwand des Übeltäters, sein Vorgehen hätte diesen Schutzzweck gar nicht berührt, hat das „Bayerische Oberste“ mit dem Argument vom Tisch gewischt, dass die Adressaten seiner Aufklärungsschriften in ein kostenverursachendes Bußgeldverfahren gelockt würden und das Rechtsberatungsgesetz auch derartige Gefahren verhindern wolle. Die Pressefreiheit sei durch das Verbot auch nicht verletzt, weil die inkriminierten Zettel nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern nur an die betroffenen Autofahrer gerichtet waren.


Bei derart feinsinnigen Judizen schmerzt es, dass das alt-ehrwürdige Bayerische Oberste Landesgericht soeben der Sparwut des Ministerpräsidenten Stoiber zum Opfer gefallen ist. Trotzdem oder gerade deshalb sollten wir die gewonnenen Erkenntnisse kurz zusammenfassen:


1. Wenn Sie Hinweise an fremde Autoscheiben klemmen, wie man einem Knöllchen entkommt, sollten Sie entweder Rechtsanwalt sein oder über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügen.


2. Kleben Sie ihr Pamphlet nicht an die Windschutzscheibe, sondern an das Parkverbotsschild, dann richtet es sich an die Allgemeinheit und dann schützt Sie die Pressefreiheit.


3. Der Schutz der Betroffenen gebietet es, nicht in ein Verfahren gelockt zu werden, das regelmäßig mit einer Einstellung endet.


  1. 4.Jeder Gefallen rächt sich.


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© Dr. Thomas M. Hellmann